Vernissage als Abschluss der Projektarbeit
- 15.07.2022 09:14
- Großformatige Gemälde zur Auseinandersetzung mit den Namensgebern unserer Schule und unserem gegenwärtigen Schulleben eingeweiht
Im Schuljahr 2021/2022 fanden sich sechs Schüler zusammen, die sich für die Idee begeisterten, an der großen Rückwand unserer Turnhalle ein Wandbild in Graffititechnik zu gestalten. Thema sollte das Leben von Hans und Sophie Scholl sein und unser Schulleben heute. Da ich im vergangenen Schuljahr mit einer Projektgruppe das Wandbild am ZWA gestaltet hatte, wandten sich die Schüler an mich mit der Bitte, sie zu betreuen. Doch alles hatte sich gegen uns verschworen. Die extra freigehaltenen Oktoberferien wollten wir nutzen, unsere großen Entwürfe auf die Wand zu sprayen. Der bekannte Graffitikünstler Tim Müller wollte uns mit Tipps wie Material unterstützen. Doch schließlich wurde der Zugang zur Turnhalle mit einem Bauzaun abgesperrt und die Arbeit wegen Stolpergefahr nicht gestattet. Im Winter ist es nicht möglich, zu sprayen. Es war Zeit für einen Notfallplan. Nach einigem Hin und Her beschlossen wir, die Bildmotive mit Ölfarben auf große Leinwände zu malen. Diese wurden Ende Dezember endlich geliefert, sodass wir im Januar die Malerei in Angriff nehmen konnten.
Für die Schüler war es die erste Beschäftigung mit Ölmalerei. Und die Angst vor der weißen Fläche ist ein bekanntes Phänomen in der Kunst, die Angst, zu versagen, das Papier oder die Leinwand zu verderben. Doch in einem langen Arbeitsprozess gelang es den Schülern, ihre Entwürfe mit wässrigen Farben auf die Leinwand zu übertragen und sich vom Hintergrund und großen Flächen allmählich zu den Personen, Raum-, Stadt- und Landschaftsdetails vorzuarbeiten. Jeder mühte sich mit anderen Problemen: Mal wurde die Farbe zu dick und pastos aufgetragen, mal wirkte eine Fläche unrealistisch, z.B. das Wasser, die Wiese, das Pflaster. Auch perspektivische Probleme, Größenverhältnisse und natürlich die menschliche Figur und das Gesicht, zumal, wenn es noch einer bestimmten Person ähneln soll, stellen für ungeübte Maler eine große Herausforderung dar.
Doch nach vielen Nachmittagen, im Schnitt 55 bis 80 Stunden pro Person, erreichten alle, Rustem Curolli, Jenny Johne, Jasmin Riedel-Uting, Amélie Rogge, Emma Marie Scholz, Lia Danielle Wohlfarth und die Betreuerin Heidrun Schergaut endlich den Moment, in dem sie sagen konnten: „Jetzt ist es fertig!“ und ihr Gemälde mit der Signatur beendeten.
Es folgten der schriftliche Teil der Projektarbeit und schließlich die Präsentation. Die Gemälde konnten inzwischen durchtrocknen, denn das dauert bei Ölfarben sehr lange. Jetzt fehlte aber noch, dass die Bilder an ihrem Bestimmungsort landen.
Das geschah am 07.07.2022 ab 14.00 Uhr. Nachdem der Hausmeister für die Aufhängung der Bilder gesorgt hatte, brachten Jasmin und Amélie noch per Tacker die Beschriftungen an. Frau Hensel und Frau Kämpf eröffneten die Vernissage mit „Dona nobis pacem“ und „Die Gedanken sind frei“, gespielt auf Geige und Bratsche. Dann stellten die Schüler das Projekt vor. Amélie eröffnete das Programm und schloss es, indem sie ein Zitat eines Flugblattes der „Weißen Rose“ einbezog. Die Maler stellten jeweils auf sehr persönliche Weise ihr Gemälde vor. Lia Danielle konnte leider den Termin nicht wahrnehmen, aber die Gruppe übernahm ihren Part. Aufmerksame Zuhörer waren einige Klassensprecher und Lehrerinnen sowie Herr Hornschuh als Vertreter der Schulleitung.
Informationen zu den Gemälden:
Jasmin Riedel-Uting arbeitete an einer großen Landschaft im typischen Voralpenland, wo sich die Freunde der „Weißen Rose“, Sophie Scholl, Hans Scholl, Willi Graf, Alexander Schmorell und Christoph Probst beim Baden vergnügen. Denn es waren Studenten, junge Leute voller Lebenslust, die gern sangen, tanzten, wanderten, Rad fuhren usw. Das Bild in naturnahen Farben spiegelt Lebensfreude, Freundschaft und Vergnügen.
Amélie Rogge setzte sich mit den nächtlichen Aktionen der Widerstandsgruppe auseinander, die mit Teerfarbe Parolen gegen Hitler und den Krieg an die Münchner Hauswände schrieben. Die Gefahr, dabei ertappt zu werden, war jederzeit riesig, zumal die Gestapo längst intensiv ermittelte. Die Ergreifung hätte brutale Verhöre und mindestens Gefängnis- oder KZ-haft nach sich gezogen. Die gefährliche Anspannung in dieser Situation beschäftigte Amélie sehr.
Die Farben sind in dunklen Petrol- und graubraunen Tönen gehalten.
Lia Danielle Wohlfarth nahm sich ein wirklich schwieriges Motiv der Innenarchitektur vor, den großen Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo Hans und Sophie am 18.02.1943 überall kleine Stapel ihres neuesten Flugblattes ausgelegt hatten, doch dann, kurz vor 10.00 Uhr, dem Ende der Vorlesungen, ganz nach oben gingen und von der Balustrade einen Wirbel an Flugblättern herabschweben ließen. Der Hausmeister der Uni hielt die Beiden fest und alarmierte die Polizei. Lia Danielles Bild zeigt also die letzten Augenblicke ihrer Freiheit. Die Farbigkeit reduzierte Lia bewusst auf gelbbraune Töne mit wenigen Akzenten. Die Flugblätter leuchten weiß daraus hervor.
Heidrun Schergaut, die Projektbetreuerin, reiht sich nun ein. Das Gemälde zeigt den Prozess, der schon am Montag, den 22.02.1943, im Münchner Justizpalast stattfand. Roland Freisler, der berüchtigte Richter vom Volksgerichtshof Berlin, war extra beauftragt worden, den Prozess zu leiten und ein Exempel zu statuieren. Neben Hans und Sophie sitzt auch Christoph Probst mit auf der Anklagebank in diesem ersten Prozess der „Weißen Rose“, da er bei der Verhaftung einen handgeschriebenen Entwurf für ein neues Flugblatt bei sich gehabt hatte. Die herbeigeilten Eltern Scholl konnten nichts tun, sie wurden aus dem Gerichtssaal geworfen, obwohl Robert Scholl gern seine Kinder verteidigt hätte. Der Tod in seiner traditionellen Darstellung als Schnitter oder Sensenmann steht schon unerkannt im Gerichtssaal, denn nach circa dreieinhalb Stunden endet dieser Prozess mit dem Todesurteil für alle drei Angeklagten, auch den jungen Familienvater Christoph Probst, der zwei kleine Kinder hat und dessen Frau wieder schwanger ist. Die Farben sind weitgehend in grauen, braunen bis schwarzen Tönen gewählt, woraus das Blutrot hervorleuchtet.
Emma Marie Scholz schließt sich mit ihrem Gemälde an. Es hat einen unheimlichen Hintergrund, denn nachdem man Hans, Sophie und Christoph ins Gefängnis München Stadelheim gebracht hatte, wurden alle drei noch am selben späten Nachmittag dort hingerichtet. Damit zerschlugen sich jäh alle Hoffnungen auf ein baldiges Kriegsende und damit, nach einer Weile der Gefangenschaft, die Befreiung durch die Alliierten.
Eine Wärterin hatte Mitleid mit den jungen Gefangenen und steckte den Dreien heimlich eine Zigarette zu, die sie sich schweigend teilten. Das ist der Moment, den das Gemälde zeigt. Ein Moment, der Emma genauso wie jeden empathischen Menschen zutiefst ergreift. Alle Drei wissen: „Jetzt werden wir sterben. Gleich werden wir getötet.“
Schließlich ist es Sophie, die von den Henkern zuerst geholt und unter das Fallbeil gelegt wird.
Jenny Johne hat sich dem typischen Unterrichtsalltag gewidmet, wie wir ihn nach dem Rückzug in die sanierte Schule erlebten. Neue Technik, digitale Tafeln, saubere, aber recht farblose Räume. Gesichter verschwanden wegen Corona hinter Mund-Nase-Bedeckungen oder einfach Masken, sodass man sich schwer verstehen und die Mimik des Mitschülers oder Lehrers nicht erkennen konnte. Schulutensilien, ein Klassenbuch oder Kleidung bieten sich als ein paar Farbtupfer an.
Rustem Curolli dagegen zeigt einen Blick auf eine Treppe unseres Schulhauses in einer Pause. Ein reges Treiben spielt sich ab, Schüler steigen auf und ab, sitzen da, spielen Fange. Durch die Kleidung der Schüler kommt etwas Farbe ins Bild. Die Gesichter sind auch hinter Masken verborgen, was den Blick mehr auf die Augen lenkt. Menschen zu malen, die Treppenstufen steigen, ist richtig schwierig, die Beugung der Knie, die Größenverhältnisse und Perspektive im Treppenhaus.
Weitere Impressionen der Vernissage:
Heidrun Schergaut
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